Tischrede Seiner Majestät König Willem-Alexander beim Staatsbesuch bei Ihren Majestäten König Philippe und Königin Mathilde der Belgier, Brüssel


Sire,

welch große Freude, bei Ihnen und Königin Mathilde zu Gast zu sein. Vielen Dank für Ihre warmherzigen Worte!

Quel bonheur d’être de retour à Bruxelles!

Meine Frau und ich sind erfreut, Sie beide in bester Gesundheit anzutreffen. Nach Ihrem Wingsurf-Abenteuer im April haben Sie Ihre Beweglichkeit zum Glück vollständig wiedererlangt. Ein Ausweis königlicher Unverwüstlichkeit. 

Für uns beide ist dies ein Jubiläumsjahr. Zehn Jahre im Königsamt, so lange ist das gar nicht, aber lang genug, um zu erkennen, wie unvorhersehbar das Weltgeschehen ist.

Wer hätte 2013 gedacht, dass eine Pandemie unsere Gesellschaft für längere Zeit lahmlegen würde? Und dass der Krieg nach Europa zurückkehren würde?

In solch turbulenten Zeiten ist es besonders wichtig, den Kontakt zu Freunden zu pflegen. Denn sie geben uns Halt und Kraft. Sie ergänzen uns dort, wo wir auf etwas zusätzliche Unterstützung dringend angewiesen sind. Freundschaft macht stärker.

Für die Niederlande ist die Freundschaft mit Belgien ein Anker in einer Welt voller Unwägbarkeiten. Und zu dieser Freundschaft leisten Sie beide einen sehr wichtigen, persönlichen Beitrag. Vielen Dank dafür!

Letzten Monat habe ich in Utrecht die Ausstellung »Ode an Antwerpen« mit Werken aus der Phoebus Foundation eröffnet. Sie hält den manchmal vielleicht eine Spur zu selbstbewussten Niederländern den Spiegel vor. Denn: Wo kam der Aufschwung in den Nördlichen Niederlanden im 17. Jahrhundert eigentlich her? 

Die Antwort mahnt zur Bescheidenheit. Es waren Kenntnisse, Können und Kapital aus den Südlichen Niederlanden, die dem Norden Flügel verliehen. Genau: K3. Auch damals schon … 

Im Rückblick muss man feststellen, dass man es Ihnen dort nicht sonderlich gedankt hat. Denn was taten die Niederländer nach dem Fall von Antwerpen? Sie blockierten die Schelde! Einerseits vielleicht ein kluger militärischer Schachzug, andererseits sieht Dankbarkeit sicher anders aus.

Fest steht, dass wir von alters her eng miteinander verbunden sind. Fleiß, wissenschaftliche Neugier und Sorge für die Schwachen sind Teil unserer DNA. Hier bei uns im Nordwesten Europas setzte sich die städtische Kultur der mündigen Bürger, der Kaufleute und der Freidenker schon früh durch. In den kürzlich veröffentlichten Kanon von Flandern wurde neben dem Ross Bayard, der »Tollen Grete« und Jacques Brel auch Erasmus aufgenommen.

Später wies Ihr Land uns auch industriell den Weg. Wallonien war das Kraftwerk, das auch den Niederlanden Dampf machte.

Nächstes Jahr begehen wir das achtzigjährige Bestehen der Benelux, die von vielen als die Keimzelle der Europäischen Union angesehen wird. Wir sind in all diesen Jahren auf eine sehr organische Art noch enger zusammengewachsen. 

Unsere Streitkräfte sind so umfassend integriert wie sonst fast nirgends auf der Welt. Gemeinsam überwachen wir unseren Luftraum von Arlon bis Ameland. Und wir haben einen grenzüberschreitenden Hafenverbund: Gent-Terneuzen-Vlissingen. Wir teilen uns Botschaftsgebäude und führen zusammen Handelsmissionen durch. Mit der Taalunie verfügen wir über eine Organisation, die sich um die Belange der niederländischen Sprache und Literatur kümmert. Und wir wollen mal nicht so sein … wir haben auch einen gemeinsamen Formel-1-Weltmeister, dessen Wiege ja in Hasselt stand.

Es fühlt sich gut an, mit Belgien an der Seite für die Verteidigung all dessen einzutreten, was uns wichtig ist. Freiheit. Gleichheit. Demokratie. Rechtsstaatlichkeit. Ein gesundes Lebensumfeld. Entfaltungsmöglichkeiten für alle. Für uns sind das Grundbedürfnisse. Da finden wir schnell zueinander.

Gemeinsam bilden unsere Länder das Mündungsgebiet von Schelde, Maas und Rhein. Wir stehen gemeinsam vor der Aufgabe, unsere Energieversorgung nachhaltig zu organisieren und den Stickstoffausstoß zu verringern. Nirgends sonst in Europa ist dieses Thema so relevant wie innerhalb unserer Grenzen. Und wir arbeiten zusammen, wenn es um konkrete Aufgaben wie die Bekämpfung der Drogenkriminalität über die Häfen von Rotterdam und Antwerpen geht.

So viele Gemeinsamkeiten. So viele Berührungspunkte.

Und doch ist es, wenn wir ehrlich sind, schön, dass wir nicht in jeder Hinsicht gleich sind. Wir meinen zwar, uns durch und durch zu kennen, aber das ist natürlich eine Illusion. 

Ein bisschen so wie bei René Magrittes berühmtem Bild, auf dem eine Pfeife abgebildet ist, unter der in zierlicher Schrift zu lesen steht: »Ceci n’est pas une pipe.«

Die Unterschiede sind ein Anreiz, besser hinzuschauen und besser zuzuhören. Und etwaige Vorurteile zu hinterfragen.

Hand aufs Herz: Ein holländisches Mittagessen mit Käsebrot und einem Glas Buttermilch hat doch wirklich etwas für sich. Und sei es nur in puncto Zeitmanagement. 
Umgekehrt mag der belgische Staatsaufbau aus niederländischer Sicht komplex erscheinen, aber vielleicht erklärt er auch ein wenig Ihr berühmtes diplomatisches Geschick und Improvisationstalent. Nicht zu unterschätzende Qualitäten!

Wir sollten unsere Unterschiede respektieren und annehmen.

Im Rahmen unseres Besuchs möchten wir gerne noch mehr über die spezifischen Fähigkeiten Ihres Königreichs und seiner Regionen erfahren. Fähigkeiten, an die wir gern anknüpfen. 

Ich denke etwa an unseren Besuch morgen im hochmodernen BioPark in Charleroi. Oder an das Aerospacelab in Wallonisch-Brabant, ein Beispiel für die Spitzenposition Ihres Landes auf dem Gebiet der Satellitendaten. Und an das IMEC in Löwen, mit dem die niederländische Chipindustrie so hervorragend zusammenarbeitet.

Erfreulich auch die weitere Intensivierung der kulturellen Bande mit der Wallonischen Region. Wir werden kurz beim Festival »Canaux, Pays Bas x Pays-Noir« vorbeischauen.

Apropos Kultur: Morgen haben wir für Sie hier in Brüssel ein Konzert der Amsterdam Sinfonietta geplant. Ein Streichorchester. Eine Opernaufführung in Brüssel, das fanden wir dann doch etwas zu gewagt … 

Sire, das Gefühl, mit dem wir der Fortsetzung dieses Staatsbesuchs entgegenblicken, kann ich wie folgt in den drei Amtssprachen Ihres Königreichs zusammenfassen:

Nous nous réjouissons énormément.
Wir freuen uns darauf.
We hebben er goesting in!

Darf ich Sie bitten, mit mir das Glas zu erheben:

Auf den König und die Königin der Belgier!
Und auf die innige Freundschaft zwischen dem Königreich Belgien und dem Königreich der Niederlande!