Thronrede 2025


Mitglieder der Generalstaaten!

Zu Beginn dieses parlamentarischen Sitzungsjahres gilt mehr denn je, dass der politische Gestaltungsspielraum der Regierung nur so weit reicht, wie Sie es zulassen. Denn die Regierungsarbeit stützt sich nach den jüngsten politischen Entwicklungen auf ein ungewöhnlich schmales Fundament in beiden Parlamentskammern. Die Regierung ist sich darüber im Klaren, dass es in der nächsten Zeit einer engen Abstimmung mit Ihnen bedarf, um genügend Unterstützung zu erlangen und noch Ergebnisse erzielen zu können.

Derweil haben die Alltagssorgen der Menschen im Hinblick auf Arbeit, Lebensumfeld und Wohnen keine Pausentaste. Die Leute möchten ein Einkommen, das bis zum Monatsende reicht, eine sichere und vertraute Wohnumgebung und ein Zuhause für sich selbst und ihre Kinder. Für junge Menschen ist eigener Wohnraum ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Selbständigkeit. Allen gemein ist auch der Wunsch – ganz konkret und in der Nähe – nach guten und zugänglichen Gesundheitsleistungen, nach Unterstützungsangeboten, wenn das Leben es mal nicht so gut mit einem meint, und nach Schulen, die den Kindern zuallererst Grundfertigkeiten beibringen. Das sind die Themen, die die Menschen an erster Stelle beschäftigen.

Zugleich leben wir in einer Zeit großer internationaler Veränderungen. Das zeigte sich einmal mehr Ende Juni, als die Augen der Welt auf Den Haag gerichtet waren. Der erfolgreiche NATO-Gipfel wurde nahezu umgehend als »historisch« bezeichnet. Und tatsächlich, der Beschluss, die Verteidigungsausgaben kräftig zu erhöhen, ist Ausdruck der tiefgreifenden und rasanten geopolitischen Entwicklungen, die sich vor unseren Augen vollziehen. Achtzig Jahre nach der Befreiung unseres Landes sind Fragen von Frieden und Sicherheit wieder dringlich geworden. Und auch auf anderen Gebieten stehen wir vor großen Herausforderungen. Wie nutzen wir die Chancen der sich rasch verbreitenden künstlichen Intelligenz, und wie begrenzen wir gleichzeitig ihre Risiken? Wie gehen wir mit den wachsenden digitalen Bedrohungen um? Und wie sorgen wir dafür, dass unsere Wirtschaft stark und wettbewerbsfähig bleibt in einer Welt von Handelszöllen und neuen wirtschaftlichen Machtverhältnissen? Allesamt große Fragen, auf die es zwar keine schnellen und einfachen Antworten gibt, mit denen sich Regierung und Parlament aber auseinandersetzen müssen.

Darum ist es gut, wenn wir uns, bei allen Ungewissheiten, immer klarmachen, dass – nach einem bekannten Wort – das Leben nur in der Rückschau verstanden werden kann, aber in der Vorausschau gelebt werden muss. Das bedeutet, dass Politik und Gesellschaft hier und heute weiter zukunftsgewandt denken und handeln müssen, auch jetzt, da unser Land vor Neuwahlen steht.

Vor diesem Hintergrund beabsichtigt die Regierung, so weit wie möglich das fortzuführen, was im zurückliegenden Jahr auf den Weg gebracht worden ist. Nach dem Bruch der Regierung wurde nur für wenige Themen der Regierungspolitik ein Moratorium beschlossen. Es wäre zu hoffen, dass dies eine Grundlage für weitere gemeinsame Schritte nach vorn bietet. Regierung und Parlament haben hier unterschiedliche Rollen, aber eine gemeinsame Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.

Leider scheinen sich die Menschen in den Niederlanden immer öfter in Gegnerschaft gegenüberzustehen – auf der Straße, im Netz, an Universitäten und nicht zuletzt auch hier im politischen Den Haag. Mit dezidierten Meinungen für oder gegen etwas, schwarz oder weiß. Als ob, wenn der eine recht hat, der andere automatisch unrecht hätte, obwohl die Realität fast immer unendlich viel komplexer ist. Der Regierung ist völlig klar, dass dies auch von ihr selbst eine offene, zuhörende Haltung und Kompromissbereitschaft verlangt. Debatten und Meinungsverschiedenheiten gehören zu einer lebendigen Demokratie. Dazu gehört aber auch die Bereitschaft, einander über diese Differenzen hinweg auf erwachsene Art und Weise die Hand zu reichen. Es versteht sich von selbst, dass die Regierung diesen Auftrag zunächst auf sich selbst bezieht, mit dem Ziel, zu Lösungen für Probleme und Sorgen zu kommen, die in der Breite der Gesellschaft empfunden werden. Gemeinsam mit Ihnen und gemeinsam mit den Gemeinden, Provinzen und Wasserverbänden.

Mit diesem Vorsatz wird sich die Regierung weiterhin zuallererst voll und ganz dafür einsetzen, die parlamentarische Beratung der neuen Migrationsgesetze zum Abschluss zu bringen. Die Migration in den Griff zu bekommen ist eine der größten Sorgen im Land, und daher bleibt das Thema dringlich.

Es steht außer Frage, dass die großen laufenden Entschädigungsoperationen, die sich schmerzlich in die Länge ziehen, mit größtmöglicher Entschlossenheit fortgesetzt werden. Im Interesse der von Erdbebenschäden betroffenen Menschen in der Provinz Groningen, der Eltern im Falle der Affäre um Kinderbetreuungszuschüsse und aller, denen eine zu niedrige Erwerbsminderungsrente zuerkannt worden ist. Längerfristig stellt sich die große Aufgabe, die Komplexität der Vorschriften deutlich zu verringern, um eine Wiederholung zu vermeiden.

Beim Thema Sicherheit wurde vieles auf den Weg gebracht, um die Gesellschaft wehrhafter gegen Bedrohungen von außen zu machen. Aber auch die Sicherheit im Innern erfordert ein entschlossenes Vorgehen. Wir können nicht hinnehmen, dass sich Mädchen und Frauen oder Menschen, die eine Kippa oder ein Kopftuch tragen, auf der Straße nicht sicher fühlen oder zwei Menschen desselben Geschlechts sich nicht händchenhaltend in der Öffentlichkeit bewegen können. Hier ist die gesamte Gesellschaft gefragt, aber auch Politik und Verwaltung. Im Haushalt 2026 stehen Mittel für die Stärkung der Sicherheit an Bahnhöfen bereit, für mehr Plätze in Notunterkünften für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, und für den Kampf gegen Femizid.

Mit dem Ergänzenden Pakt für Gesundheit und Wohlergehen wird der Zugang zu Gesundheitsleistungen verbessert. Gemeinsam mit den Kommunen arbeitet die Regierung weiter an der Reformagenda zur Jugendhilfe. Überdies soll die jüngst geschlossene Rahmenvereinbarung zur Altenpflege eine Verbesserung der häuslichen und stationären Langzeitpflege herbeiführen. All diese Initiativen müssen in nächster Zeit weiter ausgestaltet werden, damit gute Pflege in der Zukunft für alle verfügbar bleibt.

Ungemein wichtig ist, dass der Genehmigungsstopp für viele Aktivitäten infolge zu hoher Stickstoffbelastung überwunden wird. Das ist dringend notwendig, damit mehr Wohnungen gebaut werden können, für Unternehmen, die investieren wollen, und auch um die größte Sanierungsaufgabe, die es bei Straßen, Brücken und sonstiger Infrastruktur je gegeben hat, in Angriff nehmen zu können. Den Auftakt machte in diesem Frühjahr ein entsprechendes Startpaket. Die Regierung wird es weiter ausgestalten. Grundgedanke des Pakets ist es, Landwirtschaft, Natur und Industrie miteinander ins Gleichgewicht zu bringen und Stickstoffziele zu erreichen, in dem Bewusstsein, dass Ernährungssicherheit für die Zukunft unseres Landes von wesentlicher Bedeutung ist. Dies gilt umso mehr in Zeiten geopolitischer Unruhe.

Vor allem in der Raumordnungspolitik hängen viele Themen miteinander zusammen. Schließlich wird in den verschiedensten Bereichen Raum beansprucht. Man denke an Wohnungsbau, Natur oder die Abfederung der Folgen des Klimawandels. Aber auch an Verteidigung, die Energiewende, Transport und Verkehr oder eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Im Raumordnerischen Leitprogramm kommen all diese Themen zusammen. Es braucht mehr zentrale Steuerung, um angesichts des begrenzt verfügbaren Raums allen Interessen gerecht zu werden. Darüber wird die Regierung in nächster Zeit mit Ihnen und mit Gemeinden, Provinzen und Wasserverbänden ins Gespräch treten. In der Raumordnungspolitik liegt ein maßgeblicher Schlüssel zur Nutzung der Wirtschaftskraft und der exekutiven Stärke der Regionen sowie zur Erzielung von Durchbrüchen. Damit mehr Wohnungen gebaut werden können, weist das Raumordnerische Leitprogramm neben vielen kleineren Standorten vier neue Standorte für großflächigen Wohnungsbau aus.

Grundvoraussetzung für eine Zukunft mit einer guten Daseinsvorsorge für alle sind und bleiben eine starke Wirtschaft und gesunde Staatsfinanzen. Auf der Habenseite steht, dass die Arbeitslosigkeit strukturell niedrig bleibt und die Armut weiter zurückgegangen ist. Erfreulich ist auch, dass im nächsten Jahr alle Gruppen wegen stark gestiegener Löhne und früherer Maßnahmen zur Steigerung der Kaufkraft mehr zur Verfügung haben werden. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass die Senkung der Kraftstoffsteuer im kommenden Jahr fortgilt. Dennoch gibt es auch Grund zur Besorgnis. So bleibt das Haushaltsdefizit im nächsten Jahr zwar innerhalb der vereinbarten Grenzen, aber für die Zukunft bedarf es klarer Prioritäten, damit dies so bleibt. Außerdem ist das derzeitige Wirtschaftswachstum auf längere Sicht zu gering, um das heutige Leistungsniveau der Daseinsvorsorge halten zu können.

Gerade deshalb ist es besorgniserregend, dass immer mehr Unternehmer das Investitionsklima in den Niederlanden negativ beurteilen. Diese Stimmen erklingen sowohl aus mittelständischen wie aus großen Unternehmen, und sie müssen gehört werden. Wenn Unternehmen weniger investieren oder sogar erwägen, aus den Niederlanden abzuwandern, dann schadet dies letztlich der Wertschöpfungsfähigkeit unseres Landes. Eine Verringerung des Regulierungsdrucks bleibt dringend erforderlich. Außerdem arbeitet die Regierung weiter an der Schaffung einer Nationalen Investitionsinstitution, und es wird spürbar in die Halbleiterindustrie investiert und somit die künftige Wertschöpfungsfähigkeit der Niederlande gestärkt. Die Regelung zur Senkung der Energiekosten für die Industrie wird bis 2028 verlängert.

In den Karibischen Niederlanden und in Aruba, Curaçao und Sint Maarten stehen Wohlstand und Wohlergehen unter Druck. Gemeinsam mit den dortigen Regierungen und Partnerverwaltungen arbeitet die Regierung weiter an der Steigerung der finanziellen Stabilität, der Stärkung der Verwaltung, an Ernährungssicherheit und an einem besseren Leistungsniveau der Daseinsvorsorge. Wegen des spezifischen Charakters jeder Insel ist hier Maßarbeit gefragt.

Auch die aktuelle außenpolitische Agenda ist breitgefächert und vielfältig; sie reicht von der Förderung des Außenhandels bis zu den Verhandlungen über den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen der EU. Zwei Themen ragen allerdings deutlich heraus: der anhaltende russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die humanitäre Katastrophe in Gaza. Für beide Brandherde gilt, dass das Blutvergießen und der schreckliche Verlust an Menschenleben so schnell wie möglich beendet werden müssen. Als Mitglied der internationalen Koalition zur Unterstützung der Ukraine setzen die Niederlande ihren Kurs der unverminderten militärischen, diplomatischen und politischen Unterstützung fort, bis ein tragfähiger Frieden für die Ukraine erreicht ist. Kürzlich wurde beschlossen, zwei niederländische Luftverteidigungseinheiten und dreihundert Soldaten in Südostpolen, an der Grenze zur Ukraine, zu stationieren. Nun, da die Kriegsdrohung so nah ist wie nie zuvor in der Erinnerung der meisten von uns, sind wir umso dankbarer für den Einsatz unserer Soldaten und Veteranen für Frieden und Sicherheit weltweit, in Gegenwart und Vergangenheit.

Auch für die humanitäre Krise in Gaza gilt, dass die Niederlande mehr Druck zur Erreichung einer Waffenruhe ausüben können, wenn sie mit internationalen Partnern zusammenarbeiten. Die Regierung wird sich weiter für ein Ende der Gewalt und eine Zukunftsperspektive für alle Einwohner der Region einsetzen. Dabei geben wir einem gemeinsamen europäischen Vorgehen den Vorzug. Viele in unserem Land berührt die Zukunft Israels und der Palästinenser zutiefst, und sie sind außerordentlich besorgt über die Notlage in Gaza. Alle wollen, dass das menschliche Leid so rasch wie möglich beendet wird. Die Regierung hofft inständig – und wird sich auch dafür einsetzen –, dass sich die Menschen bei diesem Thema nicht noch mehr in Gegnerschaft gegenüberstehen.

Mitglieder der Generalstaaten!

Am 29. Oktober machen hoffentlich möglichst viele wahlberechtigte Niederländer Gebrauch von ihrem demokratischen Recht, Einfluss auf ihre eigene Zukunft und die unseres Landes zu nehmen. Wahlen sind schließlich nicht nur Hochfeste der parlamentarischen Demokratie, sondern auch Momente, in denen der Kurs des Landes bestimmt wird. Dem Parlament kommt dabei eine bedeutende Rolle zu. Das ist eine ehrenvolle Aufgabe, und es ruht eine große Verantwortung auf Ihren Schultern. Sie können sich bei Ihrer wichtigen Arbeit auf die Gewissheit stützen, dass viele Ihnen Weisheit wünschen und mit mir um Kraft und Gottes Segen für Sie beten.